Montag, 22. Oktober 2007

Halbzeit

Die Zeit hier in Vancouver vergeht wie im Flug und in wenigen Tagen feiern wir auch schon Halbzeit von unserem Aufenthalt. Zu feiern hatten wir in der letzten Zeit neben den immer wieder hervorragenden Noten von Milena an der UBC auch den Geburtstag von Tobias. Zu diesem Anlass gingen wir in das Restaurant ’Top of Vancouver’, welches seinem Namen alle Ehre macht. Das Drehrestaurant auf 167 Meter Höhe mitten in Downtown bietet wirklich einen sagenhaften Ausblick über die ganze Stadt.

Obwohl das Wetter gewöhnungsbedürftig ist - es regnet pausenlos und der Himmel ist täglich grau - sind wir immer noch glücklich hier in Vancouver und sind froh ein Dach über dem Kopf zu haben.

Besuch aus der Schweiz


In den letzten beiden Wochen hatten wir Besuch aus Uster. Die Eltern von Tobias verbrachten ihre Herbstferien bei uns in Kanada. Am Freitag, den 5. Oktober 2007 - dem ersten sonnigen Nachmittag nach zwei Wochen Dauerregen - kamen sie an und wir unternahmen sogleich eine Tour in den Stanley Park. Dort trafen wir dann auch auf die berühmt berüchtigten Racoons (Waschbären), die angeblich in unseren herumstehenden Abfall geschnüffelt haben. Einmal hat sich sogar einer im Abfalleimer versteckt und unserer Mitbewohner Kane bekam fast eine Herzattacke als er den Deckel öffnete.

Da das Wetter in den folgenden Tagen erneut sehr schlecht war, vergnügten wir uns im Anthropologischen Museum, im gedeckten Markt auf der Granville Island oder bei einer Sightseeing-Tour mit dem Auto. Am Wreck Beach, der normalerweise ein FKK-Strand ist, wateten wir - ausser zwei Verrückten die im Regen Beachvolleyball spielten - alleine durch den nassen Sand.

Neben dem elenden Wetter bekamen wir auch noch anderes Elend zu Gesicht. Von unserer ‚Gastmutter’ wussten wir, dass es an einer Strassenecke (Hastings Street und Main Street) ziemlich schlimm sei mit Pennern und Obdachlosen. Wir wagten uns nur mit dem Auto durchzufahren. Aber was wir dort sahen, ist kaum vorstellbar. Hunderte von verwahrlosten Personen geisterten herum, die Läden an der Strasse sind schon längst nicht mehr in Betrieb und überall lag Müll.

Thanksgiving Dinner


Am Sonntag war es dann soweit und wir wurden von Geri mit einem feinen Thanksgiving Dinner bekocht. Wir waren insgesamt 12 Leute. Geri fing schon einige Tage zuvor an mit der Vorbereitung und am Tag selber roch es schon am Morgen nach verschiedensten feinen Gerichten. Bevor wir uns am Buffet mit gefülltem Truthahn, Kartoffelstock, Süsskartoffeln, Cranberrysauce, verschiedensten Gemüsen und Salat bedienen durften, musste jeder sagen für was er/sie in diesem Jahr besonders dankbar ist. Geri fand, dass die Ehrengäste Martin und Annelies (Tobias Eltern) beginnen sollen. Es war ein toller Abend dank Völlerei, Wein und guter Stimmung. Natürlich fehlte auch das Dessert nicht und es gab ein Buffet mit dem traditionellen Pumkin Pie (Kürbiskuchen).

Vancouver Island Trip


Noch mit vollem Magen fuhren Tobias und seine Eltern am Montagmorgen los nach Vancouver Island. Das erste Reiseziel war die Stadt Victoria, in der wir schon vor gut einem Monat ein Wochenende verbrachten. Auf dem Weg dorthin besichtigten sie noch den wundeschönen Butterfly Garden, wo sie beobachten konnten wie die Schmetterlinge aus den Puppen schlüpfen. Victoria selber hat sich seit Tobias letztem Besuch ziemlich verändert: die Blumen an den Strassenlampen waren verschwunden, das Empress Hotel leuchtete rot und nicht mehr grün und die Strassen waren ziemlich leer. Trotzdem hat es ihnen sehr gefallen. Natürlich haben die obligaten ‚Fish & Chips’ an der Fisherman’s Wharf und die ‚Old Spaghetti Factory’ auch diesmal nicht gefehlt.

Weiter ging es dann nordwärts der Küste entlang Richtung Nanaimo und von dort quer über die Insel zum Long Beach und nach Torfino. Wieso alle dieses Dörfchen - welches aus nicht mehr als zwei Strassen besteht - so empfehlen und hochjubeln, wissen die Drei bis heute nicht. Zugegeben, es war nicht gerade Saison zum surfen, aber ein wenig mehr haben Tobias und seine Eltern schon erwartet. Ein Restaurant zu finden, war eine schwierige Aufgabe und Leute auf der Strasse gab es hier - wie übrigens auch in Nanaimo - nur selten. Das Highlight auf dieser Reise war sicher die Begegnung mit dem Bären. Auf der langen Fahrt durch regenwaldähnliche Wälder und vorbei an Wasserfällen und grossen Bäumen tauchte plötzlich ein Braunbär am Strassenrand auf. Im sicheren Auto sahen Tobias und seine Eltern den Bären aus einer Distanz von weniger als 10 Metern. Das war ein echtes Erlebnis.

Trip in die Rockies


Nach nur einer Nacht in unserer WG hier in Vancouver machten wir uns schon am nächsten Morgen wieder auf den Weg. Diesmal in voller Besatzung, das heisst mit Milena, und Richtung Osten in die Rocky Mountains. Das Regenwetter liessen wir diesmal hinter uns und verbrachten vier wunderschöne sonnige Tage rund um die Nationalpärke Yoho, Banff und Jasper. Neben diversen Wasserfällen (Sunwapta, Atabasca oder Shannon Falls), Brücken (Alexandra Bridge, Crazy Creek) und Schluchten (Hell’s Gate, Maligne Canyon), farbigen Wäldern (rot, gelb und grün) und Seen (türkisblauer Lake Louise, Lake Mirror, Lake Agnes, etc.) hatten wir auch ganz spezielle Erlebnisse.

Da waren zum Einen die flussaufwärts wandernden Lachse, die wir an verschiedenen Orten beobachten konnten. Ein Bach war so klein, dass die Lachse eigentlich gar keinen Platz darin hatten. Trotzdem kämpften sie sich tapfer der Strömung entgegen. Viel schlimmer als den kämpfenden Fischen zuzuschauen waren aber die herumliegenden Fischleichen. Es sei der Lauf der Natur, dass die erschöpften Tiere nach dem Ablaichen sterben und viele davon an den Ufern angespült werden. Der Anblick war aber nur das eine Übel, der fürchterliche Gestank das andere.

Ebenfalls eine spezielle Duftnote erlebten wir bei der heissen Quelle in Banff, welche extrem nach faulen Eiern roch. Baden konnte man dort zum Glück nicht und im kommerziellen Bad nebenan, das mit Touristen vollgestopft war, fehlte uns einfach die entspannende Atmosphäre, so dass wir die Badehosen für diese Reise im Koffer liessen.

Hingegen die Winterjacken brauchten wir allemal. Beim Atabasca Gletscher wanderten wir bei eisigem Wind bis zum Gletschertor. Wie auch in der Schweiz sind hier in Kanada die Gletscher am schwinden. Dieser sei in den letzten 50 Jahren um 60% geschrumpft.

Auf unserer Reise feierte Annelies ihren Geburtstag und wir wollten sie am Morgen mit einer Torte überraschen. Wir haben sie im Kühlschrank versteckt, bemerkten aber beim Rausnehmen bald, dass etwas komisch ist. Die Torte - genauer gesagt Eistorte - war ganz flüssig und nur dank der Verpackung machte sie noch eine einigermassen gute Falle. Trotzdem, die Überraschung war auch für uns perfekt und Annelies hatte riesigen Spass daran.

Neben den eindrücklichen Landschaften waren sicher auch die wilden Tiere ein Ziel unserer Reise. Wir sahen viele kleinere Sorten wie Fische, Vögel, Eichhörnchen und Langhorn-Schafe, aber auch einige grössere: Der männliche Elch, den wir während dem Autofahren sichteten, war die eindrücklichste Begegnung. Zuerst war er doch recht weit weg, kam dann aber während dem Grasen immer näher und überquerte schliesslich hinter unserem geparkten Auto die Strasse.

Zu guter Letzt besichtigten wir noch Whistler, ein Dorf nur knapp zwei Autostunden von Vancouver entfernt aber schon mitten in den Bergen. Im Jahre 2010 werden hier einige Disziplinen für die Winterolympiade in Vancouver ausgetragen. Hoffentlich werden dann auch so viele Schweizer auf dem Podest stehen wie auf unserm Bild.